Morbus Wilson - Deutsche Leberhilfe e.V. (2024)

Was ist das?

Kupfer ist ein lebenswichtiges Spurenelement, das vor allem in Schokolade, Kakao, Schalentieren, Leber, Getreide, Hülsenfrüchten, Soja und Nüssen enthalten ist. Durch die Nahrung aufgenommenes Kupfer gelangt in die Leber und wird über die Galle wieder ausgeschieden. Ein kleiner Teil wird dem Körper über ein kupferbindendes Protein (Caeruloplasmin) zur Verfügung gestellt.

Der Morbus Wilson ist eine seltene vererbte Kupferspeicherkrankheit; die Häufigkeit wird auf 1:30.000 geschätzt. Durch einen Gendefekt kann der Körper Kupfer nicht mehr ausreichend über die Galle ausscheiden. Das überschüssige Kupfer reichert sich in Leber, Gehirn und Hornhaut des Auges an und kann dort Schäden verursachen. Die Krankheit verläuft unbehandelt fast immer tödlich. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie verbessern die Lebenserwartung und das Befinden der Betroffenen erheblich.

Was sind die Beschwerden?

Beschwerden treten meistens im Kindes- oder frühen Erwachsenenalter auf (5 bis 35 Jahre). Bei Kindern und Jugendlichen äußert sich der Morbus Wilson häufig als Leberentzündung mit erhöhten Leberwerten (GOT und GPT). Ein Teil der Betroffenen hat bereits bei der Erstdiagnose eine Zirrhose und bei 5% kann Morbus Wilson sogar zum akuten Leberversagen führen. Im späteren Alter wird Morbus Wilson oft zuerst durch Störungen des zentralen Nervensystems auffällig: Hierzu gehören unkontrolliertes Zittern (Tremor), Sprach- und Schreibstörungen, Schluckbeschwerden und gestörter Gang sowie Verhaltensauffälligkeiten, Lernschwierigkeiten, Depressionen und Psychosen. Eine für den Morbus Wilson sehr typische Veränderung ist der so genannte Kayser-Fleischer-Ring, ein grünlich-brauner Ring in der Hornhaut des Auges.

Wie wird der Morbus Wilson diagnostiziert?

Die Diagnose kann schwierig sein und hat erhebliche Konsequenzen, so dass die Patienten in einem Zentrum mit Wilson-Erfahrung vorgestellt werden sollten. Ist die Diagnose nach den Beschwerden und Befunden möglich, können alle Untersuchungsergebnisse im „Leipzig-Score“ zusammenführt werden. Obwohl die Diagnose so in der Regel gestellt oder ausgeschlossen werden kann, erscheint es sinnvoll, die meisten der im Weiteren erwähnten risikolosen Untersuchungen zu veranlassen.

Der Kayser-Fleischer-Ring findet sich bei bis zu 90% der erwachsenen Wilson-Patienten mit neurologischen Symptomen. Bei Patienten ohne neurologische Symptome wird der Kayser-Fleischer-Ring nur in etwa der Hälfte der Fälle beobachtet. Kinder mit Morbus Wilson haben bisweilen keine typischen Augenveränderungen. Der Kayser-Fleischer-Ring ist nicht immer einfach zu erkennen, so dass Augenärzte zu Rat gezogen werden sollten, die Erfahrung mit dieser Diagnose haben.

Beim Morbus Wilson sind typischerweise Serum-Kupfer und -Caeruloplasmin erniedrigt sowie die Kupferausscheidung im Urin erhöht. Wenn gleichzeitig ein Kayser-Fleischer-Ring und im Blutbild ein vermindertes Caeruloplasmin vorliegt, ist die Diagnose schon sehr wahrscheinlich. Schwieriger ist die Diagnose, wenn kein Kayser-Fleischer-Ring zu sehen ist. Hier sind weitere Untersuchungen nötig.

Die genetische Analyse ist bei begründetem Wilson-Verdacht heute ein wesentlicher Teil der Diagnostik. Früher war die Gendiagnostik schwierig und sehr teuer, da es beim Morbus Wilson viele verschiedene Genvarianten gibt. Heute kann man mit vertretbarem Aufwand bei mehr als 90% der Wilson-Patienten eindeutige Genveränderungen finden. Liegen solche Genveränderungen sowie typische klinische und laborchemische Befunde vor, ist eine Leberpunktion zur Kupfermessung im Lebergewebe nicht mehr zwingend erforderlich; sie kann in schwierigen Fällen aber immer noch hilfreich und notwendig sein.

Früher wurde bei der Wilson-Diagnostik auch die Errechnung des freien Serum-Kupfers aus Gesamt-Serumkupfer und Serum-Caeruloplasmin empfohlen; sie ist aber unzuverlässig. Heute sollte man besser das Relative Exchangeable Copper im Serum (REC) direkt messen, also das relative austauschbare Kupfer: Es handelt sich dabei um den Anteil des Kupfers, der locker an Albumin gebunden ist. Bezogen auf die Gesamtkupferkonzentration im Serum (Quotient aus austauschbarem Kupfer/Gesamtkupfer) ergibt sich die Ratio des REC. Der REC-Wert ist sehr zuverlässig, um eine Wilson-Diagnose zu erkennen (hohe Sensitivität) oder auszuschließen (hohe Spezifität).

Eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes zeigt nicht selten Kupferablagerungen in bestimmten Hirnbereichen; Wilson-Patienten sollten auch einem Neurologen vorgestellt werden.

Wie wird der Morbus Wilson behandelt?

Die Behandlung des Morbus Wilson erfolgt unmittelbar nach der Diagnose und dauert bisher lebenslang. Unbehandelt verläuft Morbus Wilson praktisch immer tödlich. Die häufigste Todesursache ohne Therapie sind fortgeschrittene Leberschäden.

Hauptziel der Therapie ist es, das überschüssige Kupfer aus dem Körper auszuleiten; hierzu werden Medikamente eingesetzt, die das Kupfer binden (chelieren) und über den Urin ausscheiden.

Bei Patienten mit Beschwerden und Befunden wird die Therapie in der Regel mit dem Medikament D-Penicillamin eingeleitet. Bei D-Penicillamin-Unverträglichkeit oder -Gegenanzeigen stehen zwei Trientine-Medikamente zur Verfügung.

Diese Chelat-Therapien können das überschüssige Kupfer allmählich reduzieren und die Beschwerden und den Zustand der Leber günstig beeinflussen, insbesondere wenn die Therapie im frühen Stadium einer Lebererkrankung eingesetzt wird. Falls die medikamentöse Therapie nicht ausreicht oder zu spät einsetzt, kann eine Lebertransplantation lebensrettend sein. Neurologische Symptome können sich ebenfalls verbessern, dies ist allerdings leider nicht immer der Fall.

Zink kann in Kombination mit den genannten Chelatoren bzw. nach weitgehendem Abbau der Kupferspeicher eingesetzt werden. In jedem Fall müssen Wilson-Patienten und ihre Therapie dauerhaft eng überwacht werden. Diese Überwachung sollte – zumindest in größeren Abständen – in einem Wilson-Zentrum erfolgen.

Wilson-Patienten sollten Lebensmittel mit hohem Kupfergehalt (s.o.) meiden, eine kupferarme Diät ist aber als alleinige Maßnahme niemals ausreichend. Im Jahr 2024 wurde in den USA die erste Gentherapie bei einem Wilson-Patienten durchgeführt. Ob und wann eine solche, möglicherweise dauerhafte „Genreparatur“ im klinischen Alltag nutzbar sein wird, ist unklar.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Morbus Wilson sowie Adressen von Fachärzten finden Sie bei unserem Partnerverein Morbus Wilson e.V. unter www.morbus-wilson.de

Köln | 05/2024 | Prof. Dr. med. Claus Niederau, Oberhausen

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Author: Amb. Frankie Simonis

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