Erkrankung - Morbus Wilson e.V. (2024)

Morbus Wilson ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung des Kindes-, Jugend- oder Erwachsenen-Alters, der eine Kupferüberladung zugrundeliegt.
Die Krankheit wurde nach Samuel Alexander Kinnier Wilson, M.D., D.Sc., F.R.C.P. benannt.

Auf Grund eines genetischen Defektes ist die Ausscheidung von Kupfer über die Gallenwege gestört und das Kupfer wird in der Leber gespeichert. Von dort gelangt es auch in das Gehirn, die Nieren und die Hornhaut des Auges. Durch die verminderte Ausscheidung kommt es im Laufe der Jahre zu einer Ansammlung von Kupfer im Organismus.

Autosomal-rezessiv heißt, beide Elternteile sind Träger der gleichen schadhaften Erbanlage, ohne selbst zu erkranken. Wird nun von beiden Elternteilen das defekte Gen vererbt, so kommt es bei dem Kind zum Auftreten des Morbus Wilson. Die Krankheitshäufigkeit liegt nach derzeitigem Wissenstand bei 30 zu 1 Million.

1. Verlaufskontrolle unter Therapie – Was ist nötig? Was ist entbehrlich?

Wer ist Ansprechpartner?

Jeder Patient braucht einen engagierten Hausarzt (ggf. Wechsel des Hausarztes)
Ein spezialisiertes Zentrum sollte etwa 1- 2 mal jährlich kontaktiert werden.
Ob primär neurologische oder internistisch/hepatologische Betreuung besser ist, hängt von der im Vordergrund stehenden Symptomatik ab.

Was sollte die Verlaufskontrolle umfassen?

  • Patientengespräch: Fragen und Beschwerden evtl. vorher notieren
  • Patientenuntersuchung (Nebenwirkungen der Therapie?)
  • Laborkontrollen:
    • Blutbild, Leberwerte (GOT (AST), GPT (ALT), GGT, AP, Bilirubin), Quick-Wert, Kupfer im Serum, Coeruloplasmin im Serum
  • 24-h- Sammelurin auf Kupfer (unter Zinktherapie auch auf Zink)
  • Im spezialisierten Zentrum:
    • Ultraschall Leber
    • Ggf. neurologische Spezialuntersuchungen
    • Verlaufskontrolle Kayser-Fleischer-Ring durch Augenarzt (falls bei Diagnosestellung vorhanden)

Entbehrlich ist meist eine Verlaufskontrolle durch Leberpunktion – in Ausnahmefällen jedoch auch nötig

2. Familienscreening – Wer muss gescreent werden? Wer nicht?

Erbgang:

Erkrankung - Morbus Wilson e.V. (1)

Wer muss also untersucht werden?

Alle (!) Geschwister (hohe Wahrscheinlichkeit einen Morbus Wilson zu haben)
Kinder (sehr geringe Wahrscheinlichkeit einen Morbus Wilson zu haben)
Evtl. Eltern und erweiterte Familie (falls hinweisende Symptome)

Wie soll untersucht werden?

Die Untersuchungen können ab dem 3. Lebensjahr erfolgen. Das Screening sollten bei Normalbefunden nach 3 Jahren wiederholt werden.

Screening auf Morbus Wilson:

  • Blutbild
  • Leberwerte (GOT/GPT/AP/GGT, Bilirubin, CHE)
  • Quick/INR
  • Kupfer im Serum
  • Ceruloplasmin im Serum
  • 24-h Sammelurin auf Kupfer
  • Ultraschall Leber und Milz
  • Augenärztliche Untersuchung auf Kayser-Fleischer-Kornealring

Jeder Patient, der einen Morbus Wilson hat, muss lebenslang behandelt werden – auch wenn er asymptomatisch ist!

3. Begleitmaßnahmen – Was macht Sinn? Was ist überflüssig?

Ernährung:

Eine streng kupferarme Diät ist nicht notwendig!
Falls trotz guter medikamentöser Therapie die Einstellung des Kupferstoffwechsels unzureichend ist, kann eine vermehrt kupferarme Diät (z.B. Meiden von Schokolade, Meeresfrüchten und Innereien) helfen. Mittels Diät kann kein Kupfer aus dem Körper entfernt werden. Die medikamentöse Therapie ist die einzige Möglichkeit Kupfer dem Körper zu entziehen! Achtung: Designer-Food (Energieriegel, Nahrungsergänzungsmittel, Multivitamintabletten) kann viel Kupfer enthalten und sollte nur nach genauem Lesen der Inhaltsstoffe eingenommen werden.

Vitamine / Spurenelemente:

Für Patienten unter D-Penicillamin Therapie ist eine Vitamin B6-Ergänzungstherapie empfohlen (3 x Woche 20mg) Ansonsten gibt es keine allgemeinen Empfehlungen, außer bei nachgewiesenem Mangel an Spurenelementen oder Vitaminen.

Krankengymnastik / Ergotherapie / Logopädie / psychologische Begleittherapie:

Sind bei nachgewiesenen Funktionsstörungen / psychischen Belastungen sehr sinnvoll.

Alternative Medizin:

Kann auch gefährlich sein. So können chinesische oder ayurvedische Tees große Mengen an Kupfer enthalten. Immer nur nach Rücksprache mit dem spezialisierten Zentrum.

Trinkwasser:

Trinkwasser aus den öffentlichen Versorgungsnetzen ist geprüft und sicher. Durch Vor-Laufenlassen von Hahnwasser sind evtl. Leitungsrückstände weitgehend vermeidbar. Trinkwasser aus privaten Brunnen sollte überprüft werden.

Die ersten Symptome treten in der Regel zwischen dem 5. und 30. Lebensjahr auf. Bei Kindern steht meistens die Schädigung der Leber im Vordergrund; es kann zu einer Hepatitis oder Leberzirrhose kommen. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen treten neurologische Ausfälle in den Vordergrund. Man findet eine Störung der Sprechmotorik sowie Schreibstörungen, ein Zittern der Gliedmaßen sowie Gang- und Schluckstörungen, manchmal auch psychische Veränderungen.

Die Kupferablagerung im Auge zeigt sich in einem grünlich-braun gefärbten Ring um die Hornhaut des Auges, dem Kayser-Fleischer-Kornealring. Er ist eher ein Spät- als ein Frühsymptom und deshalb im frühen Stadium nicht immer zu finden.

Die Symptome eines Morbus Wilson lassen sich grob in 2 Kategorien einteilen:hepatologische und neurologische/neuropsychiatrische und Symptome

Klassisch treten zwischen dem 5. und 20. Lebensjahr hepatische Symptome (wie z.B.allgemeine Müdigkeit, Magen- und Darmstörungen, Gelenkschmerzen, Gelbsucht und gelegentlich Anämie) auf.

Die neurologischen Symptome bilden sich oft erst imErwachsenenalter zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr aus. Zu den typischen neurologisch Symptomen zählen z.B. Zittern, Sprachstörungen, Schwierigkeiten beim Gehen und Schreiben, vermehrter Speichelfluss, Versteifung und Fehlstellung der Gliedmaßen.

Psychiatrische Auffälligkeiten reichen von Psychose, verminderter geistiger Leistungsfähigkeit bis zu schweren Verhaltensstörungen.

Die meisten Patienten werden erstmals im Alter zwischen 5-15 Jahren durch erhöhte Leberwerte auffällig, die zunächst auf eine Hepatitis hinweisen.

Typische Laborparameter

  • Serumkupfer (< 70 µg/dl)
    • Der Serum-Kupfer-Wert kann in seltenen Fällen auch im
      Normbereich liegen. Hohe Blutkupferwerte sprechen eher
      gegen einen Morbus Wilson
  • Coeruloplasmin (< 20 mg/dl)
    • ist bei 5% der Patienten normal und bei 20% der Gesunden
      erniedrigt/ Typisch bei Morbus Wilson sind Werte &lt; 10
      mg/dl
  • freies Kupfer (> 10 µg/dl)
    • Formel: (Serumkupfer in [µg/dl])-(Cp [mg/dl]×3)
      Aber: Dieser Wert spielt für die Diagnosestellung KEINE
      Rolle
  • Urinkupfer (> 40 µg/Tag)
    • obere Normgrenze; &gt; 100 µg/Tag diagnostisch auf Morbus
      Wilson hinweisend
  • hepatisches Kupfer (>250 µg/g
    Trockengewicht)
    • (normal < 100 µg/g)
  • ATP7B Gentest (Ist heute Standarddiagnostik und sollte bei allen Verdachtsfällen erfolgen)

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Erkrankung ist von grundlegender Bedeutung für jeden Patienten. Gerade bei einer so seltenen Krankheit wie Morbus Wilson sollten Betroffene genau über ihre Erkrankung und Gesundheitszustand informiert sein, um im Gespräch mitBetreuenden mitreden zu können. Doch oftmals fällt es schwer, sich genügend Wissen anzueignen, denn das Lesen medizinischer Texte oder Arztberichte ist keine leichte Aufgabe. Zu viele Begriffe finden dort Verwendung, die ein Laie einfach nicht kennt oder genau definieren kann.

Die Diagnose kann durch folgende Untersuchungen gestellt werden:

  • Augenärztliche Untersuchung nach demKayser-Fleischer-Kornealring
  • Laborchemische Untersuchungen: Kupfer und Coeruloplasmin im Serum, Kupfer im 24-Stunden-Urin
  • Leberbiopsie mit Bestimmung des hepatischen Kupfers
  • Gentest

Um Ihnen das Leben in dieser Hinsicht etwas zu erleichtern, haben wir ein Wörterbuchmedizinischer Begriffe für Sie zusammengestellt. Dieses ist für Mitglieder in unseremMitgliederbereicheinsehbar.

Je eher die Diagnose Morbus Wilson bei einer oder einem Betroffenen gestellt wird, umso besser ist es.

Eine besondere Lebensphase wird von derärztlichenBegleitung her mit dem lateinischen Wort "transire = hinübergehen" verknüpft und als "TRANSITION" bezeichnet,was konkret den Übergang dertherapeutischen Begleitungvon derKinderheilkunde hin zur Erwachsenenmedizin meint.

Um diesen erfahrungsgemäß vielseitig herausfordernden Prozess zu unterstützen, ist nun dankenswerterweise ein spezieller, fachkundig durchgesehener TRANSITIONSBOGEN MORBUS WILSON erstellt worden, der auf der Homepage unter"Die Krankheit" -> "Transition" neuerdings einzusehen ist.

Für die erarbeitete Fassungist besonders dem diesbezüglichen Engagement von FrauDr. med. CharlotteThiels,Oberärztin Abteilung für Neuropädiatrie mit Sozialpädiatrie,Klinik für Kinder- und Jugendmedizinder Ruhr-Universität Bochum, herzlich zu danken.

Transitionsbogen Morbus Wilson_Okt2020.docx

Unter lebenslanger konsequenter Therapie ist die Prognose günstig. Ziel der Therapie ist die Entleerung der Körperkupferdepots. Mittel der ersten Wahl sind bis heute Chelatbildner (D-Penicillamin und Trientine). Auch die orale Zinktherapie wird eingesetzt.
Die Vermeidung stark kupferhaltiger Nahrungsmittel ist als begleitende Maßnahme sinnvoll. Bei Versagen der medikamentösen Therapie ist die Lebertransplantation rettende Alternative.

Die Therapie muss lebenslang durchgeführt werden!

Primärtherapien:

Zur Therapie zugelassene Wirkstoffe

Zur Primärtherapie werden in Deutschland die Wirkstoffe D-Penicillamin, Trientin und Zinkeingesetzt. Bei D-Penicillamin und Trientin handelt es sich um Chelatbildner. Diese bindendas Kupfer und sorgen dafür, dass es aus dem Körper ausgeschieden wird.

Bei D-Penicillamin und Trientin erfolgt die Ausscheidung über den Urin.Die orale Zinkapplikation führt zur Verminderung der Kupferresorption im Darm. DasNahrungskupfer bei der Zinktherapie wird über den Stuhl ausgeschieden.

Zu Behandlungsbeginn werden bei akut erkrankten Patienten zur ersten Entkupferung derPatienten vorrangig D-Penicillamin und Trientin empfohlen. Zur Erhaltungsmedikation nachÜberstehen der akuten Krankheitsphase bzw. zur Therapie bei Zufallsbefunden (z.B.Geschwisteruntersuchung) wird darüber hinaus Zink eingesetzt.

Die Einnahme aller genannter Medikamente erfolgt meist in mehreren Einzeldosen über denTag verteilt auf leeren Magen, d.h. 1-2 Stunden vor bzw. 1-2 Stunden nach den Mahlzeiten.

Weitere Therapieansätze

Da es sich bei Morbus Wilson primär um eine Lebererkrankung handelt, kommt zur Therapieder akuten Krankheitsform, insbesondere bei fulminantem Leberversagen, auch eineLebertransplantation in Betracht. Die Anzahl der in Deutschland durchgeführtenTransplantationen ist sehr gering.

Ernährung:

Es wird eine gesunde und vielfältige Ernährung empfohlen. Alkohol und Genussmittel solltenallenfalls in geringen Mengen genossen werden.

Unter laufender medikamentöser Therapie ist eine kupferarme Diät bei Morbus Wilson nichtzwingend erforderlich. Allerdings sollten besonders kupferhaltige Nahrungsmittel weiterhingemieden werden.

Eine Nahrungsmittelliste finden Mitglieder in unseremMitgliederbereich.

Mit Medikamenten auf Reise

Möchten Sie für einen längeren Auslandsaufenthalt Ihr Medikament in größeren Mengen beieiner Flugreise mit im Handgepäck transportieren, sokannes unter Umständen beim Zollbzw. bei der Sicherheitskontrolle des Handgepäcks Probleme geben. Um sich bestmöglich aufeine solche Situation vorzubereiten, ist es ratsam, ggf. den betreuenden Arzt um eineBescheinigung der Notwendigkeit der Medikamenteneinnahme zu bitten (ggf. in englischerSprache), die auf der Reise mit sich geführt werden kann.

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Author: Nathanael Baumbach

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